Von Eben am Achensee nach Fügen (19,6 km, 2062 Höhenmeter)

„Sportlicher Aufstieg“ – Noch so ein Euphemismus. Ich würde es eher einen „Höllenritt“ nennen. Immerhin habe ich dabei ein neues physikalisches Phänomen entdeckt. Kurz zur Erinnerung für alle, die wie ich in der Oberstufe Physik-Leistungskurs hatten:

Die Lorentzkontraktion (…) ist ein Phänomen der speziellen Relativitätstheorie. Sie besagt, dass ein bewegter Beobachter eine kürzere Distanz zwischen zwei Punkten im Raum misst als ein ruhender.

(Wikipedia „Lorentzkontraktion“)

Nun zu meiner Entdeckung:

Die Flüchterexpansion ist ein Phänomen der ganz speziellen Relativitätstheorie. Sie besagt, dass ein den Berg hinaufsteigender Beobachter eine längere Distanz zwischen zwei Punkten im Raum misst als ein in der Ebene befindlicher Beobachter. Das zeigt sich insbesondere daran, dass nach jeder Biegung und nach jedem Sattelpunkt, hinter dem in der Ebene der höchste Punkt erreicht wäre, ein weiterer Anstieg folgt.

(Wikipedia-Eintrag steht noch aus)

Das war ein echtes Stück Arbeit heute und sehr schweißtreibend. Ich habe mich in diesem Zusammenhang auch daran erinnert, dass ich beim Aufstieg auf die Blaubergalm festgestellt hatte, dass ich mehr als einen Liter Wasser brauche, wenn zwischendurch nichts aufgefüllt werden kann. Heute hatte ich dann aber wieder nur einen Liter Wasser dabei. Netterweise konnte ich an dem Hof, dessen Wiese ich zu queren hatte, um dem beschriebenen Weg zu folgen, meine Trinkflasche auffüllen. Im Wanderführer stehen dann nämlich so Sachen wie:

Der Weg führt über das Privatgrundstück am Weidezaun links hinter der Kapelle entlang. Sie müssen die Wiese queren, laufen unter dem Apfelbaum durch und passieren das Grundstückstor.

(Ulrike Gaube: Tegernsee – Sterzing über die Alpen in 8 Etappen, Welfer 2019, S. 74)

Klar, ich steige über die Weidebegrenzung und laufe über die Terasse zum Tor hinaus und der Hund ist mir direkt auf den Fersen. Aber auch das ist ja ein Lernfeld. Dass Wege nicht immer aussehen wie Wege und man sie trotzdem gehen kann und darauf sogar ans Ziel kommt, habe ich heute gelernt.

Ich musste heute auch schlicht auf die Wegbeschreibung im Wanderführer vertrauen, was angesichts meines nicht vorhandenen Orientierungssinns eine ziemliche Herausforderung ist. Denn zum einen ist diese Etappe nicht markiert , da die Pauschal-Alpenüberquerer sie ja gleich ganz auslassen. Zum anderen sind auch viele andere – wie das Pärchen, das ich heute beim Frühstück kennen gelernt habe – teilweise mit Bus und Bahn unterwegs. Ich habe dann heute auch tatsächlich so gut wie keinen anderen Wanderer getroffen. Das hatte auch einen besonderen Reiz.

Mein Weg führte von der Kirche St. Notburga erst mal lange den Berg hinab. Erst, als ich am Inn war, ging es wieder hinauf.

Während des Aufstiegs zum Strofenmarterl gab es sogar eine Stelle, von der aus man nach Eben zurückschauen und den Kirchturm sehen konnte. Kaum zu glauben, dass ich das alles gelaufen bin.

Oben angekommen, habe ich eine Weile Pause gemacht und den Soundtrack gehört, den mein Bruder Jens mir für diesen Weg zusammengestellt hat. Sehr schöne Titel mit zum Teil nachdenklich stimmenden Texten.

Ich habe zum Beispiel noch mal darüber nachgedacht, warum ich das hier eigentlich mache. Fakt ist, dass wir für solche, wirklich anstrengenden Wanderungen in der Familie eine viel zu kleine Schnittmenge der Interessen haben. Wenn wir für unseren Familienurlaub das machen, wo alle Lust zu haben, ist das in meinen Augen besser, als wenn wir anfangen, immer neue Kompromisse zu schließen. Damit das andere nicht zu kurz kommt, braucht es für mich aber solche Aktionen wie diese hier. Glücklicherweise gibt es durch die Ferien genug Zeit, um all das nebeneinander zu realisieren. Vor allem geht das aber dank meiner Familie, vor allem dank Alex, die meine Ideen mitträgt und manchmal auch schlicht erträgt.

Jetzt aber genug der Reflektionen. Ich hätte noch ein paar Fotos aus der Kategorie „Skurriles“ anzubieten. Da wäre zunächst der Apfel im Wald. Entweder er gehört zu Wilhelm Tell oder zum Märchen von Schneewittchen. In beiden Fällen gilt wohl: Finger weg!

Das zweite Foto dokumentiert wohl die Auswirkungen des Klimawandels. Heute, am 10. August 2019 aufgenommen.

Zum Schluss ein paar Impressionen aus meinem Zimmer im Hotel Edelweiss für heute Nacht. Stilistisch ist es sehr breit aufgestellt.

Gute Nacht!

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