As-Salamu ’alaikum und Shabbat shalom!

Wir sind auf dem Weg zum Flughafen. Der Fahrer, der uns vor sechs Tagen in Tel Aviv abgeholt und nach Beit Jala gebracht hat, ist auch heute wieder für uns da. Heute allerdings ist deutlich weniger Verkehr als bei unserer Ankunft,  obwohl es da fast Mitternacht war. Die Erklärung ist einfach: Es ist Sabbat.

In Talitha Kumi merkt man davon freilich nichts. Hier ist heute wieder Schule. Wir nutzen die Gelegenheit nach dem Auschecken im Gästehaus noch bei der Schulleitung vorbeizuschauen und uns von Matthias Wolf und Yousef Tushyeh zu verabschieden. Wir sind ihnen sehr dankbar für die freundliche Aufnahme, die engagierte Unterstützung und den anregenden Austausch. Unsere Ideensammlung für zukünftige gemeinsame Projekte werden wir nach den Ferien verschriftlichen und mit den jeweils Verantwortlichen diskutieren. Wir sind zuversichtlich, dass sich aus diesem ersten Kontakt etwas entwickeln wird.

Am Flughafen von Tel Aviv ist es relativ leer und vergleichsweise ruhig. Das Sicherheitspersonal gönnt sich allerdings keine Ruhe und unterzieht uns getrennt voneinander einem Verhör. Bei Elisabeth macht es sie misstrauisch, dass sie so viele Visa anderer – auch arabischer – Länder in ihrem Pass hat, ich dagegen bin verdächtig, weil mein Pass ganz neu ist und überhaupt keine Visa enthält. Diese Erfahrung macht mir noch einmal bewusst, wie schwer der Konflikt zwischen Israel und Palästina auf dem Alltag lastet. Matthias Wolf schreibt im Grußwort des Schulleiters für das Jahrbuch 2019 über seine Aufgabe in Talitha Kumi:

„Ein Traumjob in einer der schönsten und vielfältigsten Landschaften der Welt“, sagen die einen, „ein Himmelfahrtskommando in einem von Gewalt und Unruhen geprägten Teil unserer Erde“, sagen die anderen.

Von beidem habe ich in den vergangenen Tagen etwas mitbekommen. Von der Schönheit und Vielfalt der Landschaft ganz viel. Dazu eine große Offenheit und Gastfreundschaft derer, die ich getroffen habe und kennenlernen durfte. Gewalt und Unruhen habe ich – Gott sei Dank – nicht erlebt, die Maßnahmen zur Verhinderung derselben aber in großer Zahl. Es tut weh zu sehen, wie dieses wunderbare Land zerrissen ist und zerrissen wird, und politische Lösungen in so weiter Ferne zu liegen scheinen.  In dieser Situation auf Bildung und Erziehung zu setzen, um so an der Hoffnung auf Frieden festzuhalten, ist eine verheißungsvolle Strategie. Matthias Wolf schreibt:

Wie in kaum einem anderen Teil dieser Erde ist Bildungs- und Erziehungsarbeit beste Investition in junge Menschen, damit sie ein friedfertiges Leben führen können. Immer wieder gilt es Neues zu wagen, damit Perspektiven ermöglicht werden.

Wir nutzen die Rückreise dazu, darüber nachzudenken, welche Impulse wir für uns persönlich mitnehmen. Da sind zunächst die Erfahrungen aus dem Besuch der Schule, dem Kontakt zu den dortigen Kolleginnen und Kollegen und den Hospitationen im Unterricht. Neben ganz konkreten Anregungen – wie z.B. das kooperative Arbeiten mit OneNote im Unterricht – hat uns der Einblick in das Schulleben und den Unterricht schlicht motiviert, den eigenen Schulalltag und Unterricht nochmal wieder neu in den Blick zu nehmen und selber auch „Neues zu wagen“ (s.o.). Vielleicht sollten wir uns an unserer Schule regelmäßig gegenseitig im Unterricht besuchen, um Anregungen für Neues zu bekommen und uns und unseren Unterricht weiterzuentwickeln.

Lange sprechen wir auch über die Atmosphäre der Ruhe am Sabbat in Israel. Nach einer solchen echten, spürbaren Unterbrechung des Alltags sehnen wir uns auch. Ich erinnere mich an Jürgen Moltmanns Gedanken über den Sabbat:

Die Feier des Sabbats führt zu einer erhöhten Wahrnehmungsfähigkeit für die Schönheit aller Dinge, das Essen, die Kleidung, den Leib und die Seele, weil das Dasein selbst herrlich ist. Dir Frage nach der Möglichkeit des Machens und nach dem Nutzen werden vergessen angesichts der Schönheit aller Geschöpfe, die in sich selbst sinnvoll sind.
Den Sabbat heiligen, d.h. ganz frei zu werden vom Streben nach Glück und vom Willen zur Leistung und ganz in der Gegenwart Gottes da sein: Allein durch Gott – allein durch Gnade – allein durch Vertrauen wird der Sabbat geheiligt. Die Sabbatruhe kann als jüdische „Rechtfertigungslehre“ angesehen werden. Wer Israel am Sabbat sieht, kann Israel keine „Werkgerechtigkeit“ vorwerfen.
(J. Moltmann: Gott in der Schöpfung, München 1985, S. 288)

Wir nehmen auch den Impuls mit, eine eigene Sabbatkultur zu entwickeln, die eine echte Unterbrechung des Alltags und ein ungeteiltes Dasein in der Gegenwart Gottes ermöglicht.

Shabbat shalom!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert