Als ich heute Morgen wach geworden bin, prasselte Regen auf das Dachfenster meines Zimmers. Nach dem Frühstück waren es dann aber nur noch ein paar Tropfen, so dass ich ohne Regenkleidung in die letzte Etappe starten konnte. Erst musste ich aber nahe genug an das Hauptgebäude des Bauernhofs heran, um soviel WLAN abzubekommen, dass ich den Blog-Eintrag von gestern hochladen konnte. Dann ging es los.
Der Weg ist heute – im Vergleich zu den vergangenen Tagen – sehr einfach, so dass Gelegenheit ist, gefahrlos den Blick über die tolle Landschaft schweifen zu lassen. Das immer besser werdende Wetter trägt dazu bei, dass ich heute noch mal eine Menge toller Bilder machen konnte.
Auf der Strecke ist relativ viel los. Während ich in den vergangenen Wochen oft vollkommen alleine war, sind heute viele größere und kleinere Gruppen auf dem Weg nach Sterzing. Für sie alle ist es die letzte Etappe der Alpenüberquerung.
So leicht der Weg auch zu gehen ist, die etwas über 20 km ziehen sich am Ende doch ganz schön hin. Auf dem letzten Aufstieg, bevor es nach Sterzing hinunter geht, gibt es einen Kreuzweg mit Kinderzeichnung. Auch keine schlechte Idee. Ist notiert.
In Sterzing angekommen, bin ich direkt mitten im Trubel. Auf dem zentralen Platz findet wohl ein Fest statt (oder ist das hier immer so?) und es gibt neben Livemusik viele Verpflegungszelte. Auf Tumult habe ich im Moment aber keine Lust. Nach dem obligatorischen Foto am so genannten Zwölferturm, suche ich eine ruhige Pizzeria in einem Hinterhof, weil es im Hotel Brenner zur Zeit kein Restaurant gibt.
Nach dem Essen bleibe ich noch ein wenig sitzen und ziehe Resümee: 166 km bin ich gelaufen und habe dabei 12.763 Höhenmeter überwunden. Das war ziemlich anstrengend, in der Landschaft hier aber unvergleichlich schön. Ich war die meiste Zeit alleine unterwegs, sowohl was das Laufen angeht, als auch in den Pausen und abends beim Essen. Die zwei Etappen mit Uli und Kurt habe ich sehr genossen, alle anderen Kontakte und Gespräche waren nur punktuell. Für mich war das o. k.
Heute Morgen habe ich festgestellt, dass der 14. August nicht nur der Tag meiner Ankunft in Sterzing heute ist, sondern auch der Tag meiner Ankunft in Santiago de Compostela im vergangenen Jahr war. Ich habe auch in Tirol Markierung des Jakobswegs gesehen und unterwegs immer wieder auch über diese Zeit nachgedacht.
Manches war diesmal ähnlich, wie die Zeit für mich, die bewusst intensivierte spirituelle Praxis und die körperliche Anstrengung, die mir gut tut. Vieles ist aber auch ganz anders: auf dem Jakobsweg sind viel mehr Menschen alleine unterwegs und die Gemeinschaftsunterkünfte führen automatisch zu mehr Kontakt untereinander. Vor allem aber waren die Wege in Portugal und Spanien viel leichter zu laufen. Es brauchte nach einigen Tagen keine Konzentration und Aufmerksamkeit mehr für die Wege und das Laufen. Die Aufmerksamkeit führte dann nach innen und das Laufen wurde zur Meditation. Das geht in den Alpen nicht. Mit Ausnahme der ersten und der letzten Etappe verlangten der Weg und das Laufen bzw. Steigen häufig volle Konzentration. Das ist einfach anders und beides hat seinen Reiz.
Für mich heißt das: Pilgerwege würde ich immer wieder alleine gehen. Bei allen anderen Wandertouren kann ich mir genauso gut vorstellen, alleine zu gehen wie gemeinsam mit anderen. Da passt es ausgezeichnet, dass für nächstes Jahr die Idee für eine Tour gemeinsam mit anderen im Raum steht. Näheres dazu an dieser Stelle, wenn es soweit ist.