Von Lavra nach Rates (26,9 km)

Was für eine verd… Strapaze. Warum tue ich mir das an?! Quasi mit letzter Kraft habe ich mich in die Pilgerherberge von Rates geschleppt. Hier hält die ehrenamtliche Hospitalera (Herbergsmutter) Christina, die in Hamburg aufgewachsen ist, zur Begrüßung der Pilger Obst und kalte Getränke bereit. Sie quatscht ausgiebig mit jedem Neuankömmling, kümmert sich in aller Seelenruhe um die Registrierung und erklärt umfassend die Herberge – und das, während ich – stehend k.o. – einfach nur eine Dusche und ein Bett will. Das bekomme ich dann auch, als ich an der Reihe bin. Hinten links unten in einem 11-Bett-Zimmer. Außer mir ist da eine Gruppe junger Erwachsener und Thomas, der von Lourdes in Frankreich aus losgelaufen ist und über Santiago de Compostela und Porto nach Fatima läuft. Er hat schon 1200 km hinter sich.

Die Herberge ist super schön. Alles ist einfach, aber man braucht nach dem Laufen auch einfach nicht mehr. Die Stimmung ist super, neben mir singen einige zur Gitarre. Es ist ganz anders als auf dem Campingplatz. Sehr nette Leute, ganz unterschiedlichen Alters und recht international. Für mehr als ein gemeinsames Pilgermenü und ein bisschen Smalltalk im Garten bin ich heute einfach zu kaputt.

Anstrengend waren heute nicht die Schmerzen – die habe ich durch Umschnüren der Schuhe gut in den Griff bekommen – sondern die Hitze. Zum einen war es heute mit über 40 Grad deutlich wärmer als gestern, zum anderen war auf dem zweiten, längeren Teil der Strecke heute kaum Wind und überall Asphalt oder Kopfsteinpflaster. Dazu kam, dass ich zwar diesmal keine Unterkunft reserviert hatte, auf der gesamten Strecke aber auch keine andere Pilgerherberge zu finden war. So war die Etappe im Grunde schon wieder zu lang.

Ein Grund, warum ich heute dennoch Rates angepeilt habe, liegt darin, dass ich relativ schnell in einen guten Laufrhythmus gefunden habe. Ich bin um kurz nach sieben losgelaufen. Der morgendliche Weg über die Holzstege am Strand war atemberaubend schön. Das Morgengebet habe ich am Strand gesungen bzw. gesprochen. Das war ein einmaliges Erlebnis.

„Gott segne uns, dass wir erkennen, was für jetzt ansteht.“

Der erste Satz des Segens am Schluss war für mich ein wichtiger Impuls. Ich denke bei einem Problem nämlich eher: „Was bedeutet das jetzt für das ganze Projekt? Was, wenn sich nichts ändert? Und so weiter…“ Dabei geht es darum zu erkennen, was jetzt ansteht. Welche Probleme jetzt zu lösen sind. Welche Fragen jetzt geklärt werden können. Welche Sorgen jetzt und hier ihre Zeit und ihren Ort haben. Alles andere braucht mich jetzt und hier nicht zu beschäftigen und belasten. Dieser Segen aus dem Morgengebet ist mir heute zuteil geworden und er hat das Laufen sehr vereinfacht.

Nach dem Morgengebet am Strand habe ich in einer Strandbar gefrühstückt. Ab Vila de Conde wurde der Weg dann landschaftlich ganz anders. Von der Küste weg ging es ins Landesinnere, durch Dörfer und Felder auf endlosen (und zum Teil gefährlich engen Landstraßen). Außerdem wurde es immer heißer.

Als ich fast am Ende meiner Kräfte war, ist mir eingefallen, dass mein Bruder mir für den Jakobsweg einen Soundtrack zusammengestellt hat. Den hatte ich bisher schlicht vergessen. Im Schatten einiger Bäume habe ich den Kopfhörer gesucht und bin mit der Musik weitergelaufen. Sie hat mich echt den Rest des Weges getragen. Danke, Jens!

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Jetzt wird es gerade dunkel, aber leider nicht kühler. Ich muss morgen früher los!

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