Von Faramello nach Santiago de Compostela (15,5 km)

Für den letzten Lauftag hatte ich den Wecker auf 5:45 Uhr gestellt. Ich wollte gerne so zeitig in Santiago ankommen, dass ich es zur Pilgermesse um 12:00 Uhr schaffe. Irgendwie gingen die Vorbereitungen dann heute morgen schneller als sonst und ich bin schon um 16:15 Uhr auf der Straße.

Es war noch eine ganze Weile dunkel, aber der Untergund war recht ungefährlich und die Pfeile waren mit der Handy-Taschenlampe gut zu finden. Diese letzte Etappe bin ich – wie auch Jan und Franziska – alleine gegangen.

Ich hab unterwegs darüber nachgedacht, wie es wohl sein wird anzukommen. In den vergangenen vierzehn Tagen habe ich tatsächlich fast ausschließlich die anstehenden Etappen im Blick gehabt und abends nur den nächsten Tag geplant. An Santiago habe ich das erste Mal gedacht, als es auf die Variante Espiritual ging. Da habe ich angefangen zu rechnen, um in Santiago ein Zimmer reservieren zu können. Jetzt, wo das Ankommen bevorsteht, ist es mir irgendwie gar nicht so wichtig. Ich bin mir ziemlich sicher das Entscheidende bereits auf dem Weg erlebt und gelernt zu haben. Letztendlich bin ich dann heute auch einfach gegangen, so wie an all den Tagen der letzten zwei Wochen.

Als es richtig hell war, hatte ich ziemlichen Hunger. Ein Café oder ein Kiosk war aber nirgends in Sicht. Ein Schild an der Strecke wies auf eine kleine Kapelle hin, die etwas abseits des Weges liegen sollte. Dort bin ich hin, um schon einmal das Morgengebet zu sprechen und dann bei nächster Gelegenheit zu frühstücken. Von der Kapelle aus war ein Café mit Frühstücksangebot zu sehen, das vom Weg aus nicht zu erkennen war. Coole Sache. Wie war das noch gleich?

„Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes (…),
dann wird euch alles andere zufallen.“ (Mt 6,33)

Der Weg hatte heute nochmal ein paar sehr schöne Abschnitte, führte dann aber unweigerlich in die Stadt hinein. Als es in die Altstadt ging, wurden die Straßen immer voller und die Gassen immer enger, bis ich plötzlich auf dem Platz vor der Kathedrale stand. Der Anblick ist schon echt beeindruckend, zumal seit dem Frühjahr keine Baugerüste mehr zu sehen sind.

Es war für mich dann – wie ich es gedacht hatte – recht unspektakulär anzukommen. Viel schöner und bewegender war das Wiedersehen mit denen, die ich auf dem Weg getroffen hatte. Allen voran natürlich Jan und Franziska, die vor mir da waren und auf mich gewartet haben, aber auch viele andere, die ich ganz unterschiedlich gut kennen gelernt habe. Die sich auf dem Weg begegnet sind, erkennen sich hier wieder und fallen einander in die Arme.

Nach ein paar Fotos gingen wir direkt zum Pilgerzentrum, um die Compostela zu bekommen. Noch sollte es dort – trotz der Menschenmassen – sehr ruhig sein. Während wir warteten, sprach uns eine Mitarbeiterin der deutschsprachigen Pilgerseelsorge an, um uns zu deren Veranstaltungen einzuladen. Außerdem gab es ein paar wichtige Tipps zum Einlass in die Kathedrale.

Meine Compostela wurde schließlich auf den Namen Alexander Flüchter ausgestellt, weil es eine lateinisierbare Namensform sein muss. Gut, dass ich evangelisch bin und derlei Dokumente nur zu Erinnerungszwecken brauche. Nicht, dass es beim Ablass am Ende zu Verwechslungen kommt. Mit dem Diakon, der die Compostela ausgestellt hat, habe ich mich aber sehr nett unterhalten.

Das Ganze dauerte dann doch etwas länger als erwartet, sodass wir erst gegen zwanzig vor zwölf an der Kathedrale zurück waren, wo sich an der Eingangskontrolle schon eine riesige Schlange gebildet hatte. Alle Plätze waren lange schon belegt, sodass wir an einer der Säulen stehen mussten.

Bei der Pilgermesse in Spanisch ist es hilfreich, dass die Liturgie des katholischen Gottesdienstes auf der ganzen Welt in etwa gleich ist, egal in welcher Sprache die Messe gelesen wird. Ein bisschen mehr evangelische Katholizität wünschte ich mir da manchmal für unsere Kirche. Ich überlege lange, ob ich zur Kommunion gehen soll. Auch wenn die katholische Lehre es anders sieht, fühlte ich mich heute zum Abendmahl eingeladen und es ist nach meiner Überzeugung nicht die Kirche, die einlädt, sondern Jesus Christus. Der Diakon aus dem Pilgerzentrum zuckt nur ganz kurz und gibt mir dann aber die Hostie. Ich hatte bei der Ausstellung der Compostela ja auch meinen Beruf angeben müssen. Ich fürchte, ich habe ihn in eine schwierige Situation gebracht, was mir aufrichtig Leid tut.

Da es nach der Messe einfach zu voll war, bin ich am späten Nachmittag noch einmal wiedergekommen, um mir in Ruhe die Kathedrale anzusehen. Ich bin dann auch zum Jakobusgrab hinunter gestiegen, das unter dem Hochaltar liegt. Dort steht auch die Jakobusstatur, an der die Pilgerströme vorbeiziehen, um die Statur zu berühren. Das habe ich nicht getan. Nur zu gerne hätte ich aber das riesige Weihrauchfass in Aktion gesehen, das durch die gesamte Kirche schwinkt. Wie Franziska aber zufällig erfahren hat, wird es morgen zu Maria Himmelfahrt in Betrieb genommen. Das muss ich unbedingt sehen.

Den Abend haben Franziska, Jan und ich schließlich – nach guter Tradition auf dem spanischen Jakobsweg – beim Italiener ausklingen lassen. Es ist schön, dass ich morgen noch einen Tag hier habe, bevor es am Donnerstag nach Hause geht.

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