Beit Jala und Bethlehem, 14. Oktober 2018

Die Nacht war kurz, aber erholsam. Erst beim Frühstück wird mir so richtig bewusst, dass ich mit den Mitarbeitenden des Gästehauses Beit Al Liqa‘ Deutsch spreche. Wie Talitha Kumi ist auch das ein deutsches Projekt.

Ein Mitarbeiter bringt uns netterweise um kurz nach acht zur Schule. Der Schulleiter, Matthias Wolf, ist ein sehr sympathischer, kompetenter und engagierter Mensch. Er nimmt sich Zeit für die Begrüßung und einen ersten Austausch. Schnell wird klar, dass im Gästehaus gerade auch eine Gruppe von Religionslehrer*innen und Schulpfarrer*innen wohnt, die mit dem Schulreferat unseres Nachbar-Kirchenkreises unterwegs ist. Mit ihnen gemeinsam bekommen wir eine Führung durch Talitha Kumi.

Das Bildungszentrum vereinigt auf dem zwölf Hektar großen Gelände einen Kindergarten, eine Grundschule, eine Sekundarschule, das Gästehaus und eine Hotelfachschule. Das Schulgelände ist zu einem großen Teil bewaldet. Die Bäume zu pflanzen, war laut Auskunft des Schulleiters 1959 eine der ersten Arbeiten der Kaiserswerther Diakonissen auf dem Gelände der neuen Schule. Talitha Kumi ist so eine echte Oase im dicht bebauten Beit Jala. Auch die Lage des Bildungszentrums ist bemerkenswert. Talitha Kumi liegt genau auf der Grenze zwischen Israel und Palästina. Genauer gesagt, gehört das Schulgelände zum Teil zur Zone A (ganz unter der zivilen und militärischen Verwaltung Palästinas) und zum Teil zur Zone C (vollständig unter israelischer Militärverwaltung) nach dem Oslo-Abkommen zum Westjordanland. Vom Dach der Kirche aus kann man die unterschiedliche Prägung der beiden Zonen gut erkennen. Bei Talitha Kumi passen die geografische Lage und die Aufgabe gut zusammen. Es ist ein Ort der Begegnung und des Friedens. Der allgemeinen Hilflosigkeit angesichts des politischen Konflikts wird hier Bildung als christlicher Beitrag für eine friedliche Lösung entgegengesetzt.

Das Gelände von Talitha Kumi gehört weiterhin der Kaiserswerther Diakonie, auch wenn sie nicht mehr Trägerin des Bildungszentrums ist. Auf dem Dach der Kirche zeigt uns der Schulleiter einen kleinen verfallenen Raum direkt unter dem großen Metallkreuz. Hier haben die Kaiserswerther Diakonissen sich zum Gebet versammelt. Mithilfe von Spenden möchte Matthias Wolf diesen Raum instandsetzen und zu einem Raum der Stille gestalten. Die Kaiserswerther Schwestern waren die ersten Spenderinnen, und inzwischen ist das notwendige Geld zusammengekommen. Gerne würde ich wiederkommen, wenn der Raum der Stille fertig ist und dort einmal das Morgen- oder Abendgebet sprechen. Das Projekt ist ein tolles Zeichen bleibender Verbundenheit.

Am Nachmittag haben wir uns nach Bethlehem aufgemacht. Allein in das turbulente Leben dieser arabischen Stadt einzutauchen, die gleichzeitig stark christlich geprägt ist, war für mich schon ein beeindruckendes Erlebnis. Die Gerüche der Gewürzen und Speisen, die überall an der Straße angeboten werden, verbreiten alleine schon ein orientalisches Flair. Die Händler versuchen alles, um uns zum Besuch ihrer Läden zu bewegen. Die originellste Strategie bestand in einem Handyfoto, dass den Teehändler mit Hartmut Engler von „Pur“ zeigte. Dass uns das als Deutsche vergleichsweise kalt lies, rief doch einiges Unverständnis hervor.

Zentrales Ziel war für uns natürlich auch die Geburtskirche. Erwartungsgemäß wimmelte es dort nur so von Pilgergruppen. Lange stehen wir an, um durch eine niedrige Tür in die Geburtskirche hineinzugelangen. Beeindruckend sind die Reste der ersten Kirche, die von Kaiser Konstantin 326 errichtet wurde. Um in die orthodoxe Kapelle zu gelangen, heißt es wieder anstehen, ein drittes Mal steht man dann, um in die Geburtsgrotte hinabzusteigen. Dieser Ort hatte allerdings keinerlei spirituelle Wirkung auf mich hat. Angerührt hat mich dagegen eine Gruppe chinesischer Katholiken, die in einer unterirdischen Kapelle die Messe gefeiert und dabei Weihnachtslieder gesungen haben.

Nicht weit von der Geburtskirche entfernt liegt die Milchgrotte. Der Überlieferung nach sollen Maria und Josef auf der Flucht nach Ägypten hier Halt gemacht haben, um den Säugling Jesus zu stillen, wobei ein Tropfen Milch auf den roten Steinen fiel. Das ist mir dann aber doch zu skurril. Sehr schön war dort aber die Vesper, die von den Nonnen des dortigen Konvents in einer Kapelle gesungen wurde.

Im Gästehaus zurück bestellen wir eine Flasche Rotwein – „The Star of Bethlehem“ – und lassen den Abend ruhig ausklingen.

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