Talitha Kumi hat das Ernterecht für 150 Olivenbäume auf dem Ölberg und diese Woche beginnt die Olivenernten. Zusammen mit den Volontären und einer Schulklasse fahren wir auf das Gelände des Auguste-Viktoria-Hospitals des Lutherischen Weltbundes, auf dem die Olivenbäume stehen. Die Stimmung in den Bussen ist angespannt, weil nicht klar ist, ob der Grenzübertritt funktionieren wird. Heute geht aber alles gut.
Nach einer kurzen Einweisung geht es los. Erst werden Planen unter den Bäumen ausgelegt, damit die heruntergefallenen Oliven leichter aufgelesen werden können. Dann geht es ans pflücken. Erst einfach so auf Kopfhöhe, später mit Leitern in den oberen Bereichen der Bäume. Im Laufe des Vormittags holen wir zu dritt immerhin einen 20-Liter-Eimer voll Oliven von einem Baum.
Nebenbei unterhalten wir uns mit Norbert, einem Pfarrer aus Sachsen, der vier Monate „Studium in Israel“ absolviert. Er kennt sich in Israel und Palästina wahnsinnig gut aus und hat jahrelange Erfahrung mit Schüleraustauschprojekten und Begegnungsreisen.
Auf dem Weg zum Mittagsimbiss kommen wir an der Himmelfahrtskirche Augusta Victoria vorbei und Norbert gibt uns eine private Führung. Im Kaisersaal ist zur Zeit eine Ausstellung historischer Fotographien von Jerusalem, die spannende Perspektiven auf die Stadt bietet. Nach der Pause verabschieden wir uns von den Erntehelfern, weil wir unbedingt noch nach Qumran ans Tote Meer fahren wollen.
Dazu müssen wir zunächst zum zentralen Busbahnhof in den Westen Jerusalems und von dort aus mit der Linie 486 Richtung Masada fahren. Der Weg führt durch die Wüste – vorbei an Beduinen-Camps – durch eine eben so beängstigend-trostlose wie faszinierend-schöne Gegend. Der Nationalpark Qumran, in dem die Ausgrabungsstätte der Siedlung und die Höhlen liegen, in denen die Schriftrollen gefunden wurden, ist auf der Karte in meinem Reiseführer komplett falsch ein gezeichnet. Glücklicherweise erinnert der Busfahrer sich daran, dass wir nach Qumran wollen, und sagt uns an der richtigen Haltestelle Bescheid. Hätte er das nicht getan, hätte uns eine Wüstenwanderung bevorgestanden.
Von der Ausgrabungsstätte des Khirbet Qumran und dem Blick auf die Höhlen bin ich total begeistert. Qumran und die Schriftrollen vom Toten Meer haben eine entscheidende Rolle bei der Ideenfindung für mein Dissertationsthema gespielt und ich habe seither davon geträumt, diesen Ort einmal selber zu sehen. Jetzt gehen wir durch die Mauer der Siedlung und ich erinnere mich an einige Details. So gibt es neben dem Eingang des Raumes neben dem mutmaßlichen Scriptorium ein Loch – das sog. „Stegmann-Hole“ – mit einer Art Briefkasten dahinter, über dessen Funktion es verrückte Theorien gibt. Für mich ist Qumran definitiv ein Höhepunkt der Reise.
Die Fahrt zurück von Qumran zum Busbahnhof, von dort zum Damaskustor und von dort nach Beit Jala dauert fast zwei Stunden. Am Abend holt uns Yousef Tushyeh, der Austauschkoordinator von Talitha Kumi, mit seinem Auto ab und wir fahren nach Bethlehem. Wir möchten ihn gerne als Dankeschön für die Gastfreundschaft und die tolle Betreuung zum Essen einladen und dabei über erste Ideen für gemeinsame Projekte zwischen Talitha Kumi und dem Theodor-Fliedner-Gymnasium sprechen. Es wird ein schöner Abend, bei dem wir noch einmal viel über das Leben als Christ und die Situation einer deutschen evangelischen Schule in Palästina erfahren. Wir hoffen sehr, dass es möglich sein wird, den Kontakt zu Talitha Kumi zu halten und gemeinsame Projekte zu starten.