Tag 5: „Ein-Zeit“ statt Auszeit

Heute ist meine Klosterwoche zu Ende gegangen. Für mich war es eine außerordentlich bereichernde Erfahrung und eine echte Auszeit. – Oder vielleicht doch eher eine „Ein-Zeit“. Denn nach einer kurzen Phase der Eingewöhnung habe ich weniger stark erlebt, dass ich etwas ausgeschaltet habe – dass also etwas nicht da war –, sondern vielmehr, dass ich etwas eingeschaltet habe, wofür sonst nur wenig oder gar keine Zeit ist. Ich habe mal hochgerechnet. In dieser Woche habe ich rund 10 Stunden gebetet und Gottesdienst gefeiert. Ich habe rund 4 Stunden meditiert und gut 20 Stunden gelesen. Für nichts von dem nehme ich mir sonst soviel Zeit.

Die Fragen und Anregungen, die aus der geistlichen Lesung entstanden sind, werden mich sicher noch eine ganze Weile begleiten: 

Was kann ich anders machen, um allem die Zeit zu geben, die es braucht?

Wo, wann und wie findet mein Herz Ruhe?

Erinnerungen helfen mir, zu vertrauen, dass zur rechten Zeit da ist, was ich brauche.

Nach der ersten Gebetszeit des Tages, habe ich dann meine digitalen Geräte wieder mit dem Internet verbunden. Funknetz gibt es hier zwar nicht, aber das Wlan des Klosters ist super. Gut, dass ich das nicht schon früher herausgefunden habe. Schlagartig ist die Phase der digitalen Entgiftung vorbei und die eine oder andere E-Mail lässt meinen Blutdruck prompt steigen. Das ist nicht anders als vorher. Wohl aber, dass ich davon gekostet habe, wie es ist, sich dem zeitweise nicht auszusetzen. Zeit und Raum zu schaffen für eine andere Erfahrung. Durch Klarheit, Ordnung und Stille.

Nach dem Frühstück habe ich mich von den anderen Einzelgästen – neben mir sämtlich katholische Priester – und dem Prior verabschiedet. Wir haben wenig miteinander geredet in diesen Tagen, obwohl wir viele Stunden zusammen waren, beim Essen im Refektorium und vor allem bei den Gebetszeiten in der Kirche. Trotzdem ist eine Vertrautheit entstanden. Bis nächstes Jahr, haben die katholischen Brüder zum Abschied gesagt. – Das kann gut sein.  

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