Tag 4: Ora et Labora

Heute war ich um 05:30 Uhr alleine in der Kirche. Ganz alleine natürlich nicht, der Konvent war natürlich auch da. Aber außer mir nahm kein Gast an den Vigilien und Laudes teil. Für mich ist es aber einer der Hauptgründe, warum ich hergekommen bin. Im Rhythmus des Gebetes den Tag gestalten. Fünf Gebets- und Gottesdienstzeiten sind das am Tag, zusammengerechnet ca. 2,5 Stunden. Tendenziell sehr ähnlich und gleichförmig gestaltet. Die Vesper und das Konventamt werden von der Orgel begleitet, die übrigen Gebetszeiten werden ohne Begleitung gesungen.

Ich habe schon am ersten Tag notiert, dass ich von den Gebetszeiten in der Kirche in gewisser Hinsicht enttäuscht bin. Das hat vor allem mit meinen eigenen Erwartungen zu tun. Ich habe mir vorgestellt, dass ich mich am Gebet beteiligen kann, wenn ich mich ein bisschen eingehört habe. Immerhin habe ich eine gewisse Erfahrung mit dem Stundengebet mit dem TE DEUM aus dem Klosterverlag hier in Maria Laach. Eine Kantorin hat mir sogar beigebracht, das Benedictus zu singen. Hier – bei den Profis – ist das aber eine ganz andere Nummer. Die Tonfolgen wechseln häufig und die Noten sind in den ausgelegten Liturgieblättern nicht abgedruckt. Das Ganze ist nicht wirklich auf Teilnahme ausgelegt. Das merkt man auch daran, dass die – gar nicht so wenigen – Menschen, die offenbar regelmäßig zu den Gebetszeiten in die Kirche kommen, sich auch nicht beteiligen.

Das erinnert mich an die langen Diskussionen bei den Planungen unseres geistlichen Experiments mit TE DEUM. Bei der Erstellung der Liturgie für das wöchentliche gemeinsame Gebet war eine zentrale Frage, wie leicht es für Dazukommenden sein soll, sich einzufinden und mitzubeten. Anfangs hatten wir die Idee, dass Dazukommende einfach nur hörend teilnehmen. Aber das entsprach nicht der Erwartung derer, die dann kamen. Die meist evangelischen Gemeindeglieder waren es gewohnt, die Liturgie zu verstehen – wenn nötig auch zu hinterfragen – und dann aktiv teilzunehmen. Wir haben daher in der Anfangszeit noch so mache Anpassungen vorgenommen, die das Gebet deutlich niederschwelliger und partizipativer gemacht haben. Ich habe das manchmal bedauert, weil über lange Strecken auch keine Gäste beim Gebet dabei waren. Aufgrund der Erfahrungen der Woche hier, sehe ich das aber noch einmal anders. Es ist gut, dass die Liturgie so gestaltet ist, dass auch Gäste relativ leicht hineinkommen und mitmachen können. Ich freue mich jedenfalls schon auf unsere Vesper am nächsten Freitag.

„Erinnert ihr euch nicht?“ – Das ist die Jesus-Frage für die geistliche Lesung heute. Es geht um folgende Geschichte aus dem Markusevangelium 8,14-21:

Erstens: Ich lese den Text.

Die Jünger sind mit ihren Gedanken offenbar ganz woanders. Bei dem was war (Wie konnten sie nur vergessen, Brote mitzunehmen?!) und bei dem, was möglicher Weise sein wird (Wie sollen wir mit nur einem Brot auskommen?!).  Jesus merkt das und versucht sie zurückzuholen. Augen, um zu sehen. Ohren, um zu hören. Erinnerung, an das, was sie mit ihm erlebt haben. Die Speisung der Viertausend und der Fünftausend. Die Erfahrung, dass genug da sein wird, wenn es gebraucht wird. Das haben sie schon zweimal erlebt. Die Erinnerung daran soll sie auch jetzt tragen. Warum sollte es dieses Mal anders sein?

Zweitens: Der Text liest mich.

Mit den Gedanken ganz woanders sein, das kenne ich gut. Ich bin oft bei dem, was war und grüble über Situationen, in denen ich mit mir unzufrieden bin, oder etwas falsch gemacht habe.  Und ich bin oft bei dem, was möglicher Weise sein wird. Ich kann mich in mögliche Szenarien, Gespräche, Diskussionen, Auseinandersetzungen so intensiv hineinversetzen, als wären sie real. Genauso fühle ich mich dann auch. – Was holt mich zurück? Jesus sagt: Sehen und hören. Wahrnehmen, dass jetzt nicht Vergangenheit ist oder Zukunft, sondern Gegenwart. Jesus sagt: Erinnern daran, dass sich das Nötige schon finden wird, wenn es soweit ist. Das habe ich tatsächlich schon oft erlebt: Die richtigen Worte und die notwendigen Ideen waren tatsächlich immer da zur rechten Zeit. Und ich hatte das Gefühl, dass sie mich gefunden haben und nicht umgekehrt.

Drittens: Mit der Frage weitergehen.

Die Erinnerung nehme ich mit auf den Weg. Und das Vertrauen, das daraus erwächst.

Am Nachmittag konnte ich dann doch noch an der Klosterführung teilnehmen. Am Dienstag ist sie mangels Teilnehmenden – ich war der einzige Angemeldete – ausgefallen. Heute waren wir zu fünft. Es gab interessante Einblicke in die Geschichte des Klosters und seiner Gebäude. Es leben gegenwärtig noch 23 Mönche in der Abtei Maria Laach. Einen Abt haben sie allerdings zur Zeit nicht. Der Konvent konnte keine Mehrheit für einen Kandidaten finden. Die Abtei wird daher für drei Jahre kommissarisch vom Prior-Administrator geführt. Beim Gang über das Klostergelände, das sonst nicht frei zugänglich ist, sind wir an den Ateliers der Künstler-Mönche vorbeigekommen. Keramik im Bauhaus-Stil ist ein Markenzeichen der Klosterbetriebe, daneben gibt es Malerei und einen Verlag. Das Highlight aber ist die Jesuiten-Bibliothek. Ein Foto sagt hier mehr als tausend Worte.

Die Frage, wie eine Jesuiten-Bibliothek in ein Benediktinerkloster gekommen ist, haben wir natürlich auch erfahren, aber das würde jetzt zu weit führen. Die Bibliothek ist leider auch das einzige, was wir von der Klausur zu sehen bekommen. Unser Klosterführer merkt an, dass ich als Gast im Haus mehr davon gesehen habe, als die Führung zeigen darf.

Tatsächlich bin ich durch die Einladung, mittags und abends mit den Mönchen zu essen, nun schon mehrfach durch den Kreuzgang zum Refektorium gegangen.  Natürlich nie alleine, sondern immer in Begleitung des Priors. Gerne hätte ich auch den Kapitelsaal und die Zellen der Mönche gesehen. Aber dort hat tatsächlich außer dem Konvent niemand Zutritt.

Heute ist dann auch schon der letzte Abend. Morgen werde ich nach dem Frühstück aufbrechen und zunächst zu einem dienstlichen Termin nach Hilden und dann zu einem Zoom-Termin ins Homeoffice fahren. Die Woche endet dann, wie sie begonnen hat, von der Arbeit ins Kloster und aus dem Kloster zur Arbeit. Irgendwie auch eine Form von Ora et Labora.

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