Die größte Sehenswürdigkeit am Achensee ist der See selbst. Tirols größter See liegt auf einer Höhe von rund 930 Metern, ist 10 km lang und bis zu 133 Meter tief. Wie ein Fjord bettet er sich in das Rofangebirge im Osten und das Karwendelgebirge im Westen.
(Die Alpenüberquerung. Kompass Wandertouren Karte 2556, Innsbruck 2019)
Dem kann ich mich nur anschließen. Die Etappe ist einfach traumhaft schön. Am nördlichen Seeufer geht es rauf auf den Geisalmsteig, der am Steilufer des Sees entlang führt.
Laut Wanderführer erfordert der Steig „eine gute Trittsicherheit und Schwindelfreiheit“. Tatsächlich ist das an einzelnen Stellen unabdingbar. Beides scheint bei mir vorhanden zu sein. Gefahr geht für mich eher vom türkisfarbenen Wasser des Sees aus, das ich ständig nach Fischaktivitäten absuche, während der Weg wirklich die volle Konzentration erfordert. Außerdem gibt es sehr steile Auf- und Abstiege. Auch hier jagt ein Postkartenmotiv das nächste. Aber die Fotos geben kaum wieder, wie der Weg und die Aussicht tatsächlich sind.
In Pertisau verabschiede ich mich – nach einem letzten gemeinsamen Bier – von Uli und Kurt. Sie nehmen das Schiff bis zur Seespitz und steigen dann die 800 m zur Erfurter Hütte auf, in der sie übernachten werden. Meine morgige Etappe überspringen sie, so dass sie mir dann jeweils einen Tag voraus sein werden. Es war eine tolle Zeit mit den beiden, die wirklich nette und lustige Gefährten sind.
Wieder alleine, gehe ich – einer spontanen Entscheidung folgend – nicht unten am Seeufer weiter, sondern auf dem Forstweg, der parallel dazu etwa 50 m oberhalb verläuft . Ein Schild weist auf einen „Besinnungsweg“ hin. Während ich noch darüber nachdenke, was es wohl damit auf sich hat, sehe ich im Wald ein Heft liegen, dass den „Besinnungs-Dien-Mut-Weg St. Notburga“ beschreibt.
Notburga von Rattenberg ist die meist verehrte heilige Tirols. Sie lebte der Legende nach im 13. Jahrhundert und hat sich als höfische Dienstmagd auf der Rottenburg für die Speisung der Armen und eine Unterbrechung der Arbeit für das Gebet eingesetzt. Der Besinnungsweg lädt an verschiedenen Stationen dazu ein, „Mut zum Dienen“ zu entwickeln. Ich bin diesen Weg nicht gegangen, habe aber das Heft intensiv gelesen. Mit TE DEUM – Beten und Handeln sind wir nahe dran an Notburgas Anliegen. Deshalb bin ich neugierig, was Notburga angeht. Das Museum ist leider schon geschlossen, aber vom Balkon meiner Unterkunft ist die Kirche zu sehen, die zu ihren Ehren errichtet worden ist. Auf dem Weg dorthin kommt man auch an dem Haus vorbei, in dem sie als Dienstmagd gearbeitet hat, nachdem sie von der Rottenburg verbannt worden war. Ich hatte schon gelesen, dass die Gebeine der Heiligen, die 1313 gestorben ist, 1718 exhumiert wurden und seit 1738 in einem Glasschrein im Hochaltar ausgestellt sind. Da ich eh einen Ort für das Abendgebet suche, gehe ich in die Kirche, um mir das anzuschauen. Dass das Skelett ein Kleid trägt und dich der Totenschädel in der Kirchenbank anschaut, ist schon mehr als befremdlich. Ein guter Grund evangelisch zu sein.
Der Weg vom Achensee zum Landhaus Mayr führt über einen asphaltierten Radweg. Bei 28° im Schatten fühle ich mich ein wenig an den Jakobsweg im letzten Jahr erinnert. Dass direkt neben dem Radweg die Schienen der Achensee-Dampf-Zahnradbahn verlaufen, die man mit dem Achensee-Ticket, das ich vom Hotel bekommen habe, wahrscheinlich sogar kostenlos benutzen kann, ist da schon eine Versuchung. Aber ich bin ja zum Laufen hier und nicht zum Zugfahren.
Den Abend habe ich im Wirtshaus „Kirchenwirt“ verbracht, auf der Terrasse gegessen und auf die Kirche geschaut. Ein toller Tag geht zu Ende.