Tag 3: Klarheit

Heute ist es kalt, gerade mal 3 Grad zeigt das Thermometer. Dafür strahlt die Sonne vom wolkenlosen Himmel, als ich aus dem Konventamt komme und zum Frühstück gehe. Die Tage im Kloster beginnen und enden bewusst früh. Ich habe mal gelesen, dass das deshalb so ist, weil die Mönche dann selbst im Sommer von der Nacht in den Tag leben und nicht umgekehrt.

In der geistlichen Schriftlesung geht es heute um die Jesus-Frage „Was sucht ihr?“ aus Johannes 1,35-42a:

Es geht wieder in drei Schritten. Erstens: Ich lese den Text.

Da sind zweimal zwei Verben: Hören – Folgen /  Sehen – Bleiben. In gewisser Weise ein Anknüpfen an den Text von gestern, der mit dem Folgen des Bartimäus endete. Der heutige setzt beim Folgen an. Auf die Frage Jesu „Was sucht ihr?“ antworten die Jünger mit einer Gegenfrage: „Wo wohnst du?“ (Joh 1,38) oder anders ausgedrückt: Wo ist deine Bleibe? Jesus zeigt es ihnen und sie bleiben. 

Zweitens: Der Text liest mich.

Wo ist eigentlich meine innere Bleibe? – Wo finde ich Ruhe? Wo hört das Suchen auf? Wo reicht mir das hier und jetzt?

Drittens: Mit der Frage weitergehen.

Vielleicht kommt aus diesen Fragen meine Faszination für das Klosterleben. Die lebenslange Bindung an einen Ort, an ein Zentrum und einen Fokus. Ein beständiges Bleiben. Das Buch über Orden und Klöster, das ich zur Orientierung in dieser Woche lese, beginnt genau damit:

„Der moderne Mensch scheut im allgemeinen Bindungen auf Lebenszeit, und dennoch ist er wieder merkwürdig angerührt vom Verweilen in einer alten Abteikirche, vom schier zeitlosen Chorgesang der Mönche und Nonnen. Dahinter steht wohl die unauslöschliche Sehnsucht, die der lebenslange Gottsucher Augustinus schon in den ersten Sätzen seiner Bekenntnisse klassisch zum Ausdruck gebracht hat:  'Du weckst uns auf, daß Dich zu loben Freude macht; denn Du schufst uns zu Dir hin, und unser Herz bleibt unruhig, bis daß es Ruhe findet in Dir.' (Conf. I 1,1)"1 

Vielleicht kann ich in dieser Woche beobachten, wo, wann und wie mein Herz Ruhe findet.

Fest steht aber, dass es mir heute deutlich schwerer fällt, beim Lesen zu verweilen. Noch schwerer fällt mir die Meditation. Selbst in den Gebetszeiten und im Gottesdienst bemerke ich heute, wie ich immer wieder abschweife.

Ich brauche unbedingt Bewegung. Schon am Vormittag mache ich mich zu einem kleinen Spaziergang auf. Sehr weit komme ich indes nicht. Die Klosterbuchhandlung zieht mich magisch an. Ich war auch gestern schon kurz dort. So eine Buchhandlung habe ich wirklich schon ewig nicht mehr besucht. Eine tolle Auswahl an Romanen, Sachbüchern und vor allem natürlich Theologie und Spiritualität. Ein Paradies. Natürlich komme ich auch heute nicht umhin, wenigstens ein Buch zu kaufen. Und eine Postkarte mit Briefmarke, um meiner Oma zu schreiben.

Am Nachmittag breche ich dann zur Umwanderung des Laacher Sees auf. Etwas über neun Kilometer lang ist die Strecke, die zwar nur selten direkt am Ufer entlangführt, aber wirklich schön ist. 

Unterwegs habe ich Zeit nachzudenken. Ich bin erstaunt, was ich hier alles in einer Stunde gelesen bekomme. Das gelingt mir zu Hause so gut wie nie. Und das liegt nicht daran, dass ich keine Stunde Zeit zum Lesen hätte, sondern vor allem daran, dass ich in dieser Stunde eben nicht nur lese. Die digitale Ablenkung spielt dabei eine große Rolle. Aber auch, dass ich es irgendwie verlernt habe, eine bestimmt Zeit an einer Sache zu bleiben.

Wie kann ich das ändern? – Klarheit scheint mir der Schlüssel zu sein. Klarheit darüber, was gerade dran ist und was nicht. Klarheit darin, dann auch nur das zu tun und auch dabei zu bleiben. Der digitalen Ablenkungen Einhalt zu gebieten, spielt dabei sicher eine wichtige Rolle. Aber das lässt sich ja technisch regeln. Noch wichtiger ist die Disziplin, sich an die Begrenzung dann auch zu halten.

Ob im Alltag mehr Klarheit dadurch zu schaffen ist, dass bestimmte Dinge eine feste Zeit am Tag / in der Woche / im Monat zugewiesen bekommen, ist mir noch nicht so ganz klar. Die Einteilung meiner Zeit hängt ja nicht nur von mir ab, sondern auch von den anderen in der Familie und auf der Arbeit. Vielleicht suchen aber auch andere nach klareren Strukturen, ohne dass wir bisher darüber gesprochen hätten. Meine Woche hier im Kloster ist ein guter Anlass darüber mal ins Gespräch zu kommen.


  1. Georg Schwaiger u. Manfred Heim: Orden und Köster. Das christliche Mönchtum in der Geschichte, München 2008 (3. Aufl.), Seite 7. ↩︎

Eine Antwort auf „Tag 3: Klarheit“

  1. Klarheit des Geistes entsteht, wenn der Körper in die vollständige Ruhestellung gebracht wird und Geist und Körper immer wieder in der Gegenwart zusammen geführt werden… wenn das ankommen im gegenwärtigen Moment gelingt und wirklich geschieht ist es wie ein bleiben und der Moment dehnt sich aus und kann als unendlich erlebt werden … wirklich da sein und nicht abgelenkt oder mit geteilter, fragmentierter Aufmerksamkeit heißt, dass die Zeit tiefer wird und länger erscheint, weil erfüllter…. Die ständige digitale Betätigung und das hüpfen der Aufmerksamkeit zerstören die Fähigkeit zu bleiben und tief zu erleben… im Gehirn bildet sich die gewohnheitsschleife immer wieder zum Handy zu greifen… neuroplastizität…. Digitale dauerbetätigung zerstört langfristig die selbstbestimmte Steuerung der Aufmerksamkeit und damit unsere Autonomie… wir werden mehr und mehr gesteuert… je deutlicher wir das merken und aussteigen desto mehr werden wir wieder Subjekte unseres Handelns… Ruhe und Klarheit sind Früchte der Meditation, die sich auch durch stille in der Bewegung einstellen können, wenn die Aufmerksamkeit auf den Füßen gehalten wird und bewusstes gehen entsteht…. Klar, weit, ruhig, hell und freundlich leer kann der Geist sein und das ist ein unglaubliches Geschenk… dazu helfen die Kloster Strukturen, die uns mit den regelmäßigen Gebetszeiten ja auch mehrmals täglich an das Wesentlichste erinnern…. Liebe Grüße

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