Predigt in der Osternacht 2023 in der Stadtkirche Kaiserswerth

HERR, unser Gott, andere Herren haben uns beherrscht.
Doch allein dich und deinen Namen rühmen wir.

Die Toten werden nicht leben,
die Verstorbenen stehen nie wieder auf.

Doch deine Toten, Herr, werden leben,
meine Verstorbenen werden auferstehen.

Wacht auf, jubelt, alle, die ihr in der Erde liegt!

Du bist wie der Tau im Morgenlicht.
Darum gibt die Erde die Verstorbenen heraus.

Jesaja 26,13–14a.19

Der Predigttext ist nahezu brutal realistisch. Er kennt die Realität: Die Verstorbenen stehen nie wieder auf. Die Toten werden nicht leben. Wer einen lieben Menschen verloren hat, muss das auf schmerzhafte Weise lernen. Da hilft kein Leugnen und auch kein Zorn. Da gibt es nichts mehr zu verhandeln, dafür ein schier endloses Meer an Traurigkeit. Am Ende bleibt uns nur, die Realität zu akzeptieren: Die Toten werden nicht leben, die Verstorbenen stehen nie wieder auf. (Jes 26,14) Der Prophet Jesaja weiß das, wir alle wissen das. Die Liturgie der Osternacht weiß es auch: Sie beginnt im Dunkel, in Mitten der Nacht. Sie beginnt ohne dass die Glocken läuten, ohne dass die Orgel erklingt. Sie beginnt mit dem Schweigen der Gemeinde. Die Osternacht beginnt mitten in den Realitäten dieser Welt und unseres Lebens: Sie verschließt nicht die Augen vor Ungerechtigkeit, Unterdrückung, Gewalt und Krieg. Sie verdrängt nicht unsere Trauer, unsere Sorgen, unsere Angst. Sie versteckt die Tränen nicht, die geweint werden müssen. Die Osternacht beginnt im Angesicht des Todes und hält seinem Blick trotzig stand.

In den Hackeschen Höfen in Berlin, findet man eine gelbe Blechtafel mit einem Zitat:[1]

Der Tod muss abgeschafft werden,
diese verdammte Schweinerei muss aufhören.
Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter.

Bazon Brock

Ein Protest. Ganz zu recht! Wenn es um den Tod geht, dann darf uns nichts über seine Realität hinwegtrösten. Angesichts des Todes dürfen wir uns nicht vertrösten lassen, weil das diejenigen verhöhnen würde, die den Tod erleiden. Tausendfach auch in unseren Tagen. Wenn es um die Herrschaft des Todes geht, dann brauchen wir keinen Trost. Dann brauchen wir Protest!

Und unser Predigttext? – HERR, unser Gott, andere Herren haben uns beherrscht. Doch allein dich und deinen Namen rühmen wir. (Jes 26,13) – Unser Predigttext ist ein Gebet. Sein Protest gegen die Herrschaft des Todes und alle lebensfeindlichen Mächte besteht schlicht und einfach darin, dass wir unseren Gott rühmen und seinen Namen preisen. Jesaja sagt uns: Gott zu rühmen ist Protest gegen den Tod!

Wenn wir die Osternacht feiern, tun wir genau das: Wir rühmen Gott als Schöpfer. Dafür, dass diese Welt und wir Menschen seine Schöpfungswerke sind. Weder Zufall noch notwendige Entwicklung, sondern von Gott gewollt und ein Akt seiner Liebe. Wir preisen Gott als Retter. Dafür, dass er das Schreien seines Volkes Israel hört. Dass er die Welt nicht sich selbst überlässt, und sein Volk nicht allein lässt. In der Feuersäule führt Gott es heraus aus der Sklaverei und rettet es vor der Verfolgung seiner Feinde. Wir loben Gott als Vater Jesu. Dafür, dass Jesus nicht durch billigen Trost zum Verräter der Leidenden und Sterbenden wurde, sondern am Kreuz an ihrer Seite war, als er sich der Herrschaft des Todes unterworfen hat. Wir loben Gott in Jesus Christus. Dafür, dass der Christus Jesus durch die Auferweckung von den Toten selbst zum Grund und Anführer des Protestes gegen den Tod geworden ist.

Deshalb rühmen wir Gott in der Osternacht und protestieren mit ihm gegen den Tod. – Der Tod ist abgeschafft! Diese verdammte Schweinerei wird aufhören! – Das ist keine Behauptung, die man beweisen oder widerlegen könnte. Das ist ein Bekenntnis. Das ist es, woran wir glauben. Das ist es, was wir in der Osternacht feiern!

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HERR, unser Gott, andere Herren haben uns beherrscht. Doch allein dich und deinen Namen rühmen wir. Deine Toten, Herr, werden leben, meine Verstorbenen werden auferstehen. Wacht auf, jubelt, alle, die ihr in der Erde liegt! (Jes 26,19) – Wenn wir beim Abendmahl gleich mit dem Heilig, heilig, heilig den Namen Gottes preisen, dann werden sie mit uns jubeln, die unter der Erde liegen. Wenn wir beim Abendmahl gleich im Kreis um den Altar stehen, dann werden sie unsichtbar mit uns im Kreis stehen, unsere Verstorbenen. Sie wissen schon, dass die Macht des Todes gebrochen ist. Wir müssen das immer wieder üben. Alle Jahre wieder in der Osternacht, jeden Sonntag am ersten Tag der Woche, ja an jedem neuen Tag.

Der alte Jesaja gibt uns mit dem Predigttext eine kleine Hilfe zum Üben. Schauen Sie mal vorne auf das Gottesdienstprogramm: Du, Gott, bist wie der Tau im Morgenlicht. Darum gibt die Erde die Verstorbenen heraus. (Jes 26,19) – Tau im Morgenlicht – Jesaja weiß, wovon er spricht: Wasser in der Wüste. Winzige Tropfen – obwohl keine einzige Wolke am Himmel ist – die sich im Morgenrot auf dem Boden niederschlagen und die Erde befeuchten. Leben schaffen im Wüstensand. Jeden Morgen neu. Denken Sie daran, wenn die glänzenden Tautropfen im Morgenlicht sehen. Der Tod ist abgeschafft. Die Erde wird die Verstorbenen am Ende herausgeben. Wir Christinnen und Christen sind „Protestleute gegen den Tod“ (Christoph Blumhardt) . Weil unser Herr auferstanden ist. Wahrhaftig auferstanden! Halleluja.


[1] Den Hinweis auf das Schild mit dem Zitat verdanke ich der Predigtmeditation von Albrecht und Elisabeth Grözinger (vgl. dies.: Osternacht – 08.04.2023. „Protestleute gegen den Tod“. Jesaja 26,13–14(15–18)19. In: Predigtstudien für das Kirchenjahr 2022/2023. Perikopenreihe V – Erster Halbband, Freiburg 2022, 211–217, 211).