Predigt im letzten Abendmahlsgottesdienst des Abiturjahrgangs 2019 am Theodor-Fliedner-Gymnasium
Nach dem letzten Abendmahl sprach Jesus zu seinen Jüngern:
Als ich euch (damals) ausgesandt habe ohne Geldbeutel, ohne Tasche und ohne Schuhe, habt ihr da je Mangel gehabt? Sie sprachen: Niemals.
Da sprach er zu ihnen: Aber nun, wer einen Geldbeutel hat, der nehme ihn, desgleichen auch die Tasche, und wer’s nicht hat, verkaufe seinen Mantel und kaufe ein Schwert. Denn ich sage euch: Es muss das an mir vollendet werden, was geschrieben steht: »Er ist zu den Übeltätern gerechnet worden.« Denn was von mir geschrieben ist, das wird vollendet.
Sie sprachen aber: Herr, siehe, hier sind zwei Schwerter. Er aber sprach zu ihnen: Es ist genug.
(Lukasevangelium 22,35-38)
Eine rätselhafte Perikope. Ich glaube aber, dass sie für heute morgen ausgezeichnet passt. Schauen wir nochmal genauer hin:
Nach dem letzten Abendmahl sprach Jesus zu seinen Jüngern:
Als ich euch (damals) ausgesandt habe ohne Geldbeutel, ohne Tasche und ohne Schuhe, habt ihr da je Mangel gehabt?
Sie sprachen: Niemals.
Ich kann mir gut vorstellen, dass die Jünger das voller Überzeugungen sagen können. Denn genau das haben sie mit Jesus erlebt: Selbst, wenn sie ohne Geldbeutel, ohne Tasche und ohne Schuhe losgezogen sind, hatten sie trotzdem immer alles, was sie brauchten. Es gab keinen Mangel. Es hat immer gereicht. Manchmal war das fast unheimlich: Wenn Jesus ihnen gesagt hat, dass sie mit nur fünf Broten und zwei Fischen 5000 Menschen satt machen sollten, und es war genug für alle da. Dann war mit Händen zu greifen, dass gelingendes Leben nicht das Ergebnis ihrer eigenen Leistungen und Anstrengungen war, weil sie es sich nicht verdienen konnten, sondern vielmehr geschenkt bekamen. „Habt ihr jemals Mangel gehabt, wenn ihr mit mir zusammen wart?“ – Diese Frage passte zu Jesus. Und die Antwort der Jünger entsprach schlicht und einfach der Wahrheit: „Niemals.“
Umso eigenartiger, was dann kommt:
Da sprach Jesus zu ihnen:
Aber nun, wer einen Geldbeutel hat, der nehme ihn, desgleichen auch die Tasche, und wer’s nicht hat, verkaufe seinen Mantel und kaufe ein Schwert.
Denn ich sage euch: Es muss das an mir vollendet werden, was geschrieben steht: »Er ist zu den Übeltätern gerechnet worden.« Denn was von mir geschrieben ist, das wird vollendet.
Es war die Nacht, in der Jesus verraten wurde, überwältigt und gefangen genommen. Offenbar hat er es geahnt, wenn nicht gar gewusst. Und Jesus ist offenbar nicht naiv. Er weiß, dass für die Jünger jetzt andere Zeiten anbrechen werden. Zeiten, in denen man den Geldbeutel, die Tasche, den Mantel und auch das Schwert braucht. Jesus weiß, dass den Jüngern eine harte Zeit bevorsteht. Darauf sollen sie vorbereitet sein.Die Jünger scheinen zu begreifen. Sie halten ihm zwei Schwerter hin.
Die Geschichte wird immer eigenartiger:
Sie sprachen aber:
Herr, siehe, hier sind zwei Schwerter.
Er aber sprach zu ihnen: Es ist genug.
Was bedeutet das? – Nun, es gibt sehr viele Auslegungen dieser rätselhaften Perikope. Ich hab das ein bisschen nachgelesen. Eine Auslegung hat zur Zwei-Reiche-Lehre geführt, die man als Allegorie hinter den zwei Schwertern sah: Zwei Schwerter, zwei Regimenter, zwei Reiche. Aber das interessiert wahrscheinlich nur meinen Reli-Leistungskurs… – Was kann das für euch alle bedeuten, jetzt, so kurz vor dem Ende der Unterrichtszeit? – Ich denke Folgendes: Ihr habt in den acht Jahren am TFG eine Menge erlebt. Davon waren unzählige Stunden Unterricht, eine Menge Klausuren, Referate und Prüfungen. Ich hoffe aber, dass ihr in den acht Jahren am TFG auch Zeiten erlebt habt, in denen es nicht um Noten, Punkte und Zehntel des Abiturdurchschnitts ging. Ich hoffe, ihr habt etwas erlebt, erfahren und gelernt, das jenseits davon liegt und unabhängig davon ist. Etwas, das im Miteinander entstanden ist, auf Kursfahrten und Exkursionen, beim Theaterspielen und Theaterschauen, in Gesprächen und Diskussionen. Etwas, das nicht das Ergebnis eurer eigenen Leistungen und Anstrengungen war. Etwas Wertvolles, ein Geschenk. Ich hoffe, ihr könnt wie die Jünger antworten, wenn ihr gefragt werdet, ob ihr daran in eurer Schulzeit jemals Mangel hattet, und sagen: Niemals.
Aber auch ich bin realistisch. Das habe ich von Jesus gelernt: Es gibt auch andere Zeiten und für viele von euch sind die anstehenden Prüfungen solche. Da kommt es für euch dann doch vor allem auf die Noten an, auf die Punkte und die Zehntel im Abiturdurchschnitt. Das ist ok. – Auch Jesus rät den Jüngern sich im Zweifelsfall für den Mantel lieber ein Schwert zu kaufen…
Aber vergesst nicht, was Jesus den Jüngern sagt, als sie ihm zwei Schwerter hinhalten: Es ist genug. – Was auch immer passiert. Wie auch immer es ausgeht. Es ist genug. – Dein Wert, deine Würde, du als Mensch, als Person, wirst nicht in Noten und Punkten gemessen, nicht in Zehnteln im Abitur. Für dich gilt in letzter Konsequenz etwas anderes. Für dich gilt: Es ist genug. Es ist perfekt. So kann es bleiben. So soll es sein.
Das ist kein billiger Trost. Es ist vielmehr – wie Dietrich Bonhoeffer sagen würde – eine teure Gnade. Weil Jesus sie am Kreuz erworben hat. Es ist genug. Du bist genug!
Vergiss das nicht, wenn du anfängst zu lernen. Vergiss das nicht, wenn du in der Nacht vor den Klausuren nicht schlafen kannst. Vergiss das nicht, wenn du in der Aula vor den Aufgaben sitzt: Du bist genug!
Jesus wollte, dass seine Jünger das wissen. Es nicht mit dem Kopf verstehen, sondern auch spüren und fühlen im Bauch und im Herzen. Deshalb hat er mit ihnen das letzte Abendmahl gefeiert. – Brot und Wein sollten sie daran erinnern, welch teure Gnade sein Tod am Kreuz für sie erwirkt hat: Sie sind genug.
Deshalb möchte ich mit euch in diesem Gottesdienst das Abendmahl feiern. Zum Ende eurer Schulzeit. In Dankbarkeit für alles, was ihr Gutes erlebt habt und bekommen habt, und mit einem realistischen Blick auf das, was als Herausforderung noch vor euch liegt. Vor allem aber im Vertrauen darauf, dass am Ende gilt, was Jesus für uns errungen hat: Egal, was auch passiert, es wird reichen. Es ist genug.
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