Am 9. Oktober 2013 hat am Theodor-Fliedner-Gymnasium ein Themenabend mit Schülern, Lehrern und Eltern stattgefunden, bei dem es um die Frage ging, was unsere Schule „evangelisch“ macht. Mit Hilfe der Methode der „Wertschätzenden Erkundung“ haben wir nach solchen Situationen, Erlebnissen und Erfahrungen gefragt, in denen das Besondere am Schulleben des TFG besonders eindrücklich erfahren wird. Die Ergebnisse des Abends wurden nach thematischen Aspekten differenziert zusammengestellt und theologisch reflektiert und haben auch in das im Schuljahr 2015/16 neugestaltete Schulkonzept Eingang gefunden.

Unter den thematischen Aspekten, die von Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern und Eltern im Rahmen der „Wertschätzenden Erkundung“ angesprochen wurden, findet sich auch die Erfahrung unserer Schule als Lernort und Lebensraum. Für das Zustandekommen besonderer Erfahrungen im Schulleben werden neben anderem auch die Lage der Schule als „Insel inmitten der Felder“ und die räumliche Ausstattung – vor allem das Kinderhaus und die Cafeteria – als wichtig benannt. Die Lage der Schule und ihre Räume werden als „sprechend“ erlebt. Sie sprächen die Sprache der „Freiheit, Geborgenheit und Gemeinschaft“. Hier zeigt sich, dass Schulleben nicht im luftleeren Raum geschieht. Lage, Umgebung und Ausstattung einer Schule entscheiden mit darüber, ob eine Schule nicht nur als Lernort, sondern auch als Lebensraum erlebt wird. Auch Orte und Räume sprechen eine Sprache und haben eine Botschaft.

Theologisch ist hier der Zusammenhang von Raum und Beziehung angesprochen, der besonders häufig in den Erzählungen des Alten Testaments zu finden ist. Orte und Räume sind dadurch qualifiziert, dass an und in ihnen besondere Beziehungserfahrung gemacht werden können. So nennt z.B. Hagar die Wasserquelle in der Wüste, an der sie einem Boten Gottes begegnet ist, „Brunnen des Lebendigen, der mich sieht“ (Gen 16,14). Die jüdische Tradition kennt für Gott den Namen Ha-Maqom,übersetzt „Der Ort“oder „Der Raum“. Gottes Name und damit Gott selbst ist Schutzraum und Lebensort zugleich.

Eine Schule ist – soziologisch betrachtet – für Schülerinnen und Schüler ein lebensweltlich relevanter Ort. Sie verbringen hier viel Zeit und machen prägende Erfahrungen, wobei die Beziehungserfahrungen eine besondere Rolle spielen. Die Schule ist somit nicht nur Lernort, sondern auch Lebensraum. Die Lage der Schule und ihre Umgebung sowie das Angebot und die Ausstattung der Räume bilden den Rahmen für das, was nicht nur in ihnen, sondern auch durch sie geschieht. Wir haben das evangelische Profil des TFG als eine Art Tiefendimension im pädagogischen Handeln beschrieben. Es kann nicht so einfach an bestimmten Angeboten oder Formen festgemacht werden und kommt je nach Kontext anders zum Tragen. Wenn Schüler, Lehrer und Eltern ihre Schule als eine „Insel“ erleben, die mit „Freiheit, Geborgenheit und Gemeinschaft“ assoziiert wird, dann wird ein Lernort und Lebensraum beschrieben, der dem evangelischen Bildungsanliegen in besonderer Weise gerecht wird. Gott – Ha-Maqom – wirkt über die evangelische Tiefendimension des pädagogischen Handelns hinein in das Leben und Lernen an der Schule. Gleichzeitig eröffnet die Erfahrung der Schule als Ort und Raum von Freiheit, Geborgenheit und Gemeinschaft einen Zugang zum Evangelium, das auf Gott selber als Lebensort und Schutzraum verweist. Das TFG wird so immanent wie transzendent als Lernort und Lebensraum erlebt.

(Aus: Schule am Strom. Journal des Theodor-Fliedner-Gymnasiums (2017/2018), Düsseldorf 2018, 36–37)