Andacht im Haus der Landeskirche 19.12.2022

Haben Sie sich mal gefragt, warum wir Weihnachten eigentlich am 25. Dezember feiern? – In den Erzählungen von Jesu Geburt in der Bibel (LK 2; Mt 1-2) findet sich keine einzige Jahreszahl und erst recht kein Datum. Versuche, die Volkszählung des Kaisers Augustus, den Statthalter Quirinius, König Herodes, oder den Stern über Bethlehem zur Datierung zu verwenden, führen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Jesus muss dann spätestens im Jahr 4 vor Christus geboren sein und er kann frühestens im Jahr 6 nach Christus geboren sein. Das Jahr Null kommt gar nicht in Frage und von einem konkreten Datum kann überhaupt keine Rede sein. In den Anfängen des Christentums hat sich dafür kaum jemand interessiert. Es wurde vor allem Ostern gefeiert, und das jeden Sonntag. Erst etwas später begann man auch, Jesu Geburt zu feiern. Und dafür brauchte man ein Datum. Die frühen Christinnen und Christen suchten nach der passenden Jahreszeit für dieses Fest und kamen auf die Wintersonnenwende, die im römischen Reich am 25. Dezember liegt. Das ist die Zeit im Jahr, in der die Tage am kürzesten sind. In der die Dunkelheit am längsten ist. Da haben die frühen Christinnen und Christen entschieden, Weihnachten zu feiern. Eine weise Entscheidung. – In diesem Jahr mit all seinen Schrecken von Krieg und Gewalt, Energie- und Klimakrise, ist mir das besonders deutlich.

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„Zeitenwende“ ist gerade von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) zum Wort des Jahres 2022 gewählt worden. „Der russische Überfall auf die Ukraine markiert eine Zeitenwende. Er bedroht unsere gesamte Nachkriegsordnung“, hat der Bundeskanzler im Februar gesagt. Die Begründung für die Wahl zum Wort des Jahres sieht aber noch eine tiefgreifendere Bedeutung des Wortes „Zeitenwende“: Bei vielen Menschen habe auch eine emotionale Wende stattgefunden habe. Vielfach seien Angst und Sorge vor einem Atomkrieg in Europa oder gar einem dritten Weltkrieg zu spüren. Eine treffende Beobachtung. Auch wenn die Pandemie sich so langsam in ein eine Endemie verwandelt. Auch wenn die Einschränkungen und Erschwernisse durch die Corona-Schutz-Regeln immer weiter zurückgefahren werden. Auch wenn die zusätzlichen Anforderungen an Tests und Hygienemaßnehmen größtenteils hinter uns liegen. – Die Krisenerfahrung lässt sich nicht wirklich abschütteln und die Krisenstimmung bleibt bestehen. Das ist mir zu Beginn des neuen Schuljahres in den Lehrerkollegien aufgefallen: Ein neuer unverstellter Blick war wenig spürbar. Maximal gedämpfte Freude auf das neue Schuljahr. Die Kolleginnen und Kollegen waren nicht wirklich frei für neue Erfahrungen und Begegnungen, wie das früher der Fall war. Durch Pandemie- und Krisenerfahrungen hat der Beginn des neuen Schuljahres einiges an Zauber, Energie und Verheißung eingebüßt. Ja, hier hat eine emotionale Wende stattgefunden, auch schon vor dem 24. Februar. Eine Zeitenwende hin zur Dunkelheit!

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Mir tut es daher in diesem Jahr besonders gut, im Advent das Haus mit Kerzen in jeder Woche ein wenig mehr zu erhellen. So nimmt das Licht in dem Maße zu schon zu wie draußen die Tage kürzer und die Nächte länger werden. Die sehr lange Adventszeit in diesem Jahr gibt uns Zeit und Raum, die gegenläufigen Bewegungen vom Licht zur Dunkelheit draußen und von der Dunkelheit zum Licht drinnen intensiv zu erleben. Mit der Heiligen Nacht kommt dann die Wende. Die Tage werden wieder länger. Langsam zwar, aber unaufhaltsam. Als Christinnen und Christen feiern dann die grundlegende Zeitenwende, die mit Gottes Kommen in die Welt begonnen hat. Sein Licht leuchtet in der Finsternis. Klein und unscheinbar manchmal nur, wie der Christus Jesus als Kind in der Krippe klein und unscheinbar daherkommt. Doch wer ihm begegnet, der wird von dieser Begegnung verändert. Eine große Veränderung, die ganz klein beginnt: Wo den Sorgen und der Angst Grenzen gesetzt werden und Zuversicht und Mut wachsen. Wo sich Widerstand regt gegen jene, die Spaltung, Wut und Hass sähen, und ihnen Vertrauen, Solidarität und Nächstenliebe entgegengesetzt werden. Wo wir uns von der Dunkelheit nicht einschüchtern lassen, sondern Gottes Zeitenwende vertrauen, die seit langer Zeit schon am 25. Dezember gefeiert wird.

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Für die vierte Adventswoche, für das bevorstehende Weihnachtsfest und für die freien Tage über den Jahreswechsel wünsche ich Ihnen, dass Sie von dem Abstand gewinnen können, was Sie unruhig, unzufrieden oder ängstlich macht und Sie aus dem Kraft schöpfen, was Sie ruhig, zufrieden und zuversichtlich werden lässt. Damit Gottes Zeitenwende bei uns eine emotionale Wende bewirkt:

Freuet euch in dem Herrn allewege,
und abermals sage ich: Freuet euch!

Eure Güte lasst kund sein allen Menschen!
Der Herr ist nahe!

Sorgt euch um nichts,
sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen
mit Danksagung vor Gott kundwerden!

Und der Friede Gottes,
der höher ist als alle Vernunft,
wird eure Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus.

Philipper 4,4-7