Predigt aus der Frühschicht-Digital vor den Osterferien am Theodor-Fliedner-Gymnasium

Elle ne réalise pas que c’est une statue. Elle ne réalise pas combien peut peser la croix.
Elle a juste vu un homme qui a besoin d’aide. Apprécions le monde avec un coeur d’enfant et la vie sera plus belle.

(Bildunterschrift)

„Dieses kleine Mädchen (…) versteht nicht, wie schwer ein Kreuz sein kann.“ – Viele andere haben das in den letzten Tagen und Wochen zu spüren bekommen: Die Kranken und die, die sich um sie sorgen, die Sterbenden und die Trauernden, weil die Gemeinschaft fehlt, die tröstet und hält, die ohnehin Einsamen, denen jetzt auch noch die zufälligen Begegnungen und Gespräche wegbrechen, die in systemrelevanten Berufen, die teilweise bis zum Umfallen arbeiten und sich dabei ständig selber der Infektionsgefahr aussetzen, die vielen anderen, die um ihren Arbeitsplatz und ihr wirtschaftliches Überleben bangen, die Familien, denen das enge Zusammensein zu schaffen macht, die dem Streit oder gar der Gewalt nicht aus dem Weg gehen können; die Kinder, für die Kindertagesstätten und Schulen Schutzraum sind, die Schülerinnen und Schüler, die ihre Freundinnen und Freunde vermissen; der Abschlussjahrgang, der sich auf ihre Abiturprüfungen vorbereiten muss, ohne zu wissen, wann genau sie stattfinden werden; die Schülerinnen und Schüler, die Pläne gemacht hatten für die Mottowoche, den letzten Schultag heute, die Zeit zwischen und nach den Prüfungen.

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„(Das) kleine Mädchen (…) versteht nicht, wie schwer ein Kreuz sein kann. – (Es) versteht nicht, dass das hier eine Statue ist.“ – Eine Statue, die Jesus zeigt. Aber nicht als Verkündiger des Gottesreiches, nicht als Freund der Kinder, nicht als Wunderheiler, nicht als Beschützer der Armen und Schwachen. Sondern als Verurteilter, der sein das Kreuz zu seiner Hinrichtung tragen muss. Kein strahlender Held, sondern mehr eine gebrochene Gestalt, erschöpft, geschunden, die unter der Last des Kreuzes zusammenbricht. Dieses Bild Jesu als leidender Christus steht mir in diesen Tagen vor Augen und das nicht nur, weil wir uns gerade in der Passionszeit befinden. Hier ist einer, der die dunklen, angstvollen und schmerzhaften Seiten kennt, die das Leben haben kann. Einer der es aushält, wenn von Krankheit, Leiden und Tod gesprochen werden muss, weil es für manche Menschen die schreckliche Realität ist. Einer der sich nicht abwendet, sondern da bleibt und aushält. Einer der den ganzen Weg unseres Lebens mitgeht, bis ans bittere Ende, wenn es sein muss, bis hinein in den Tod. Und damit eine Perspektive eröffnet, die weit über alles menschliche Wünschen und Hoffen hinausreicht. Denn der Weg Jesu endet nicht im Tod am Kreuz, sondern im Licht und Leben des Ostermorgens.

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Jesus rief ein Kind herbei, stellte es in ihre Mitte und sagt: Amen, das sage ich euch:
Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen.
Wer so klein sein kann wie dieses Kind, der ist im Himmelreich der Größte.

(Matthäus 18,2–4)

„Dieses kleine Mädchen versteht nicht, dass das hier eine Statue ist. Es versteht nicht, wie schwer ein Kreuz sein kann. Sie hat gerade nur einen Menschen gesehen, der Hilfe braucht.“ Lasst uns angesichts der Herausforderungen dieser Tage so klein – oder besser: so groß – werden, wie dieses Kind: Mutig die schwersten Kreuze anpacken und versuchen sie wenigstens ein bisschen anzuheben. Mit Traurigen weinen, die Ängstlichen trösten, die Hoffnungslosen ermutigen, mit den Einsamen Kontakt halten, die Schwachen stärken. Aber auch mit den Fröhlichen lachen, die Hoffnungsvollen bestärken, als Lebendige das Leben feiern. Regenbogen ausmalen und in die Fenster hängen, weil wir überzeugt sind, dass wahr ist, was darunter steht: „Alles wird gut“.

 


Die gesamte Frühschicht ist auf Godi-Digital zu sehen: