Hausandacht im Haus der Landeskirche 14. Februar 2022

Wie lange hat Ihr längster Kuss gedauert? Zehn Sekunden oder länger? Länger als zwei Minuten? Fünf Minuten? Zehn? Eine halbe Stunde? – Laut Guinness-Buch der Rekorde dauerte der längste Kuss der Welt 31 Stunden, 30 Minuten und 30 Sekunden. Das war vor 17 Jahren in London. Vielleicht ist der Rekord aber auch schon wieder gebrochen… Ein Kuss ist wahrscheinlich das deutlichste Zeichen für eine innige Beziehung, der prägnanteste Ausdruck für die Liebe zwischen zwei Menschen, bei einem verliebten Pärchen genauso wie zwischen Eltern und ihren Kindern. Ein Zeichen, das weltweit in den allermeisten Kulturen verstanden wird und das wohl schon gibt, seit es Menschen gibt.

Nicht überall darf öffentlich geküsst werden. Ich habe gelesen, dass an der alt-ehrwürdigen Universität von Oxford in England das Küssen auf dem Campus nicht erlaubt ist, außer in den eigens dafür eingerichteten Kusszonen der Mensa. Dabei ist Küssen sehr gesund: „Bis zu achtunddreißig Gesichtsmuskeln kommen beim Küssen zum Einsatz. Adrenalin und Glückshormone werden freigesetzt, das Stresshormon Kortisol wird abgebaut, der Blutdruck steigt und der Puls verdoppelt sich“ (Ingrid Boller / Frank Fischer: Knuddelt das Pi!, Impulse zum Weltknuddeltag und anderen (un-)bekannten Gedenktagen, Neukirchen-Vluyn 2010, 74f.). Ja, mit Küssen kann man – theoretisch jedenfalls – sogar abnehmen: „Ein leidenschaftlicher Kuss verbraucht pro Minute bis zu zwanzig Kalorien“ (ebd.). Küssen ist also nicht nur überhaupt eine aufregende und tolle Sache, sondern dazu auch noch gesund. Eigentlich müssten Lehrerinnen und Lehrer, wenn sie gute Schülerinnen und Schüler haben, sehr gesund sein, wenigstens dann wenn man dem biblischen Buch der Sprichwörter folgt. Da heißt es nämlich:

Eine richtige Antwort ist wie ein lieblicher Kuss.

(Sprüche 24,26).

Doch Spaß beiseite. Die Bibel hat – wie so oft – ein gutes Gespür für das, was Menschen brauchen und für das, was im Leben wichtig ist. Und der Kuss gehört dazu. Viele Briefe der Apostel an die Gemeinden enden mit der Formel:

Grüßt einander mit dem heiligen Kuss!

(2Korinther 13,12)

Der Kuss verbindet nicht nur zwei Verliebte, sondern die Liebenden überhaupt, diejenigen, die Jesu Gebot folgen und die Liebe zum Grund und zum Ziel ihres Lebens machen: Die Liebe zu Gott, die Liebe zu ihren Mitmenschen und die Liebe zu sich selbst. Der heilige Kuss unter Schwestern und Brüdern in Jesus Christus steht für diese Liebe. Wahrscheinlich auch oder gerade deshalb, „weil man früher dachte, dass sich beim Küssen nicht nur der Atem der Küssenden verbindet, sondern auch ihre Seelen“ (ebd.). Die biochemische Entsprechung hat die Wissenschaft nachgewiesen: Das Hormon Oxytocin, das beim Küssen freigesetzt wird, hat großen Einfluss auf die Paarbindung (vgl. ebd.). Das heißt: Jeder Kuss bindet zwei Menschen enger aneinander. Mir persönlich gefällt das biblische Bild aber besser: Wenn wir uns küssen, dann verbinden sich unsere Seelen.

„Diese Vorstellung schlägt einen Bogen zum wohl allerersten Kuss der Weltgeschichte (Gen 2,7)“ (ebd.). Die Schöpfungserzählung am Anfang der Bibel erzählt, dass Gott dem Adam, dem Menschen aus Erde, den er geformt hat, seinen Atem und damit seine Seele durch Mund und Nase eingehaucht hat. Erst dadurch wurde er ein lebendiges Wesen. Das heißt: Wir Menschen sind lebendig, weil unsere Seelen durch den urzeitlichen Kuss mit dem Gott des Lebens verbunden sind. Wir sind Beziehungswesen, weil Gott den Menschen als ein freies, selbstbestimmtes Gegenüber geschaffen hat. Einmal von ihm geküsst, werden wir immer auf irgendeine Art und Weise nach Gott und seiner Nähe fragen und suchen. Da ist eine Sehnsucht in uns, die sich an diesen Kuss erinnert und nach ihm sucht. Und weil die Gottesliebe und die Menschenliebe so eng zusammenhängen, können wir Gott gerade in unserer Liebe zueinander finden, wie der erste Johannesbrief weiß:

Niemand hat Gott jemals gesehen.
Aber wenn wir einander lieben, bleibt Gott mit uns verbunden.
Dann hat seine Liebe in uns ihr Ziel erreicht.

(1Johannes 4,12).

Denken Sie daran, wenn Sie lieben und wenn Sie küssen, nicht nur heute am Valentinstag. Der Atem, der sich dabei verbindet, verbindet nicht nur Sie mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin, sondern er verbindet Sie auch mit Ihrem Schöpfer.